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AutorenbildCorinna Geiger

Erschöpfung macht sich breit - die Fatigue aus internistischer Sicht

Aktualisiert: 2. Jan. 2022

Unter einer Fatigue versteht man eine verstärkte Müdigkeit, verminderte Kraftreserven oder erhöhtes Ruhebedürfnis, das nicht im Verhältnis zur erbrachten Anstrengung steht.

Mit anderen Worten: unser Leben ist nicht mehr so schaffbar, wie es zuvor war, weil uns die Kraft dazu fehlt.


Die internistische Ursachensuche für Fatigue beginnt mit einem ausführlichen Labor.


Mangelzustände

Eisenmangel, Vitamin B12 Mangel, Vitamin D Mangel und Folsäuremangel sind sehr häufig. Mittels Nahrungsergänzungsmitteln oder Infusionen können die Mangelzustände normalerweise rasch behoben werden. Wichtig zu wissen ist, dass es z.B. genetisch bedingt oder durch Autoimmunerkrankungen wie A-Gastritis und Darmentzündungen (CED, Zöliakie) zu Aufnahmestörungen kommen kann. Daher stelle ich mir immer die Frage: steckt etwas hinter der Mangelerscheinung und ordne ggf. weitere Laboruntersuchungen an oder führe einen Eisenresorptionstest durch.


Hormonelle Ursachen

Wir stehen 24 h am Tag unter dem Einfluss unserer Hormone - diese bestimmen in weiten Teilen unseren Stoffwechsel und unser Energieempfinden.

Daher ist es nicht verwunderlich, dass wir uns müde und erschöpft fühlen, wenn unser Hormonhaushalt durcheinander gerät.

Insofern ist es wichtig den Cortisolhaushalt, die Schilddrüsenhormone und Geschlechtshormone genauer unter die Lupe zu nehmen. Häufig besteht trotz normaler Laborwerte ein Ungleichgewicht und man fühlt sich wieder besser, wenn dies ausgeglichen wird.



Mastzellaktivierung und MECFS z.B. nach Virusinfektionen - Stichwort "Long COVID" und postviral Fatigue

Jeder von uns hatte schon einmal einen richtig starken viralen Infekt und wahrscheinlich kann sich jeder daran erinnern wie sich die bleierne Müdigkeit anfühlt, wenn man diesen Infekt hat. Die Welt um einen herum wird egal, man will nur noch schlafen.

Was, wenn dieser Zustand einfach nie wirklich vorbei geht?


Dann ist es wichtig an das MECFS zu denken! Diese Abkürzung steht für myalgische Enzephalitis / Chronic Fatigue Syndrom und ist - obwohl noch viel zu wenig bekannt - häufig! In Österreich sind ca. 0,4% der Bevölkerung von dieser schweren Erkrankung betroffen - Tendenz durch COVID19 leider deutlich steigend. Das heißt nicht, dass jedes Long COVID Syndrom auch ein MECFS ist, aber es ist möglich.


Typisch für das MECFS ist eine (tage- bzw. wochenlange) Verschlechterung der Symptome nach Überanstrengung - wir nennen diesen Zustand PEM = Post Exertional Malaise. Damit ist bereits klar, dass es extrem wichtig ist, Überanstrengungen zu vermeiden. Sonst kann es zu einer zunehmenden Zustandsverschlechterung kommen. Den sinnvollen Umgang mit Energie und die Vermeidung von Überlastung nennen wir "Pacing".

Mein Kollege Dr. Michael Stingl, mit dem ich viele PatientInnen gemeinsam betreue, erklärt Pacing in einem Podcast genauer:


Hinzu kommen verschiedene Symptome wie Brainfog, Kreislaufregulationsstörungen, Schlafstörungen und Muskelschmerzen.


Die genaue Ursache des MECFS ist bisher nicht geklärt - es gibt jedoch zahlreiche Hypothesen, die eine Fehlregulierung des Immunsystems (Autoantikörperbildung), persistierende Infekte, Immundefekte, eine veränderte zelluläre Energieversorgung, einen veränderten Blutfluss im Gehirn bzw. Fehlregulierung der Gefäße / des vegetativen Nervensystems und überaktive Mastzellen / MCAS beinhalten.


Die Schlafstörungen werden von den Patienten oft mit dem Ausdruck "tired but wired" beschrieben. Darunter versteht man das Gefühl völlig erschöpft im Bett zu liegen, aber wie unter Strom zu stehen und damit keinen erholsamen Schlaf zu finden. Mögliche Ursachen dafür sind zu hohe Level an Stresshormonen (denn chronische Erkrankung ist auch chronischer Stress) und zu wenig Serotonin und Dopamin.


Eine Ursachen-basierte Therapie gibt es aktuell nicht, daher ist es extrem wichtig mit den PatientInnen einen individuellen symptomatischen Therapieansatz zu besprechen und nach behandelbaren Ursachen wie Mitochondriopathien, Schlafapnoe, Immundefekten etc. zu suchen. Da nicht jeder Patient/ jede Patientin gleich auf ein Medikament reagiert, ist Geduld gefragt.


Sollten Sie aufgrund Ihres aktuellen Zustands nicht in der Lage sein in die Ordination zu kommen, biete ich auch Telemedizinische Konsultationen an.


Quellen

Malone RW, Tisdall P, Fremont-Smith P, Liu Y, Huang XP, White KM, Miorin L, Moreno E, Alon A, Delaforge E, Hennecker CD, Wang G, Pottel J, Blair RV, Roy CJ, Smith N, Hall JM, Tomera KM, Shapiro G, Mittermaier A, Kruse AC, García-Sastre A, Roth BL, Glasspool-Malone J, Ricke DO. COVID-19: Famotidine, Histamine, Mast Cells, and Mechanisms. Front Pharmacol. 2021 Mar 23;12:633680. doi: 10.3389/fphar.2021.633680. PMID: 33833683; PMCID: PMC8021898.

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