Vorsorge ist wichtig – das ist Ihnen bereits klar. Und das war auch mir immer klar. Aber was bedeutet gute Vorsorge denn konkret? Die meisten Vorsorgeuntersuchungen dienen ja eigentlich gar nicht der Vorbeugung von Krankheiten, sondern zielen vor allem darauf ab, diese früh zu erkennen um dann mit viel Aufwand Schaden zu begrenzen.
Nehmen wir das Beispiel Diabetes: ein Langzeitzuckerwert (HbA1c) von 6,5% bedeutet Diabetes. Hatten Sie also bei Ihrer letzten Vorsorgeuntersuchung einen HbA1c von 6,0%, so wird Ihnen gesagt: es ist alles gut, wir sehen uns in 1 Jahr zur nächsten Vorsorge. Bedeutet das jetzt wirklich, dass der Zuckerstoffwechsel in Ordnung ist: leider nicht! Ein HbA1c von 6,0% bedeutet, dass Ihr Blutzucker im Schnitt bei 126 mg/dl lag und das zumindest während der letzten 6 Wochen. Wenn der Stoffwechsel optimal funktioniert, sollte der Durchschnitt zwischen 80 und 110 mg/dl liegen. Das bedeutet also dass unser eigentlich normaler Langzeitzuckerwert bereits auf gravierende Probleme im Zuckerstoffwechsel hinweist. Also warum tun wir nichts obwohl wir es besser wissen?
Die einzige Ausnahme ist bisher die Darmspiegelung, die der Prävention von Darmkrebs dient: hier machen wir eines genau richtig: wir beginnen 10 Jahre bevor die eigentliche Erkrankung – der Darmkrebs – entsteht. Wir erfassen bereits Vorstufen – die sog. Polypen – und entfernen diese rechtzeitig, so dass es gar nicht erst zur Krebsentstehung kommt. Das ist echte Prävention und führt bei konsequenter Durchführung dazu, dass die Krebsinzidenz um 35-50% sinkt!
Gerade nach der Geburt meiner Tochter habe ich mich viel damit beschäftigt, wie ich möglichst lange fit und gesund bleiben kann.
Die Wissenschaft stellt uns eigentlich genügend Informationen zur Verfügung, um in vielerlei Hinsicht zu wissen wie genau Erkrankungen entstehen und wo wir ansetzen können um diese tatsächlich bereits in der Entstehung zu verhindern. Dies gilt insbesondere für Erkrankungen wie Diabetes, Atherosklerose (Gefäßverkalkung), Fettleber, metabolisches Syndrom und teilweise auch für Demenzerkrankungen.
Natürlich werden Sie sagen: ja aber es gibt Menschen, die trotz Rauchen/Trinken/schlechter Ernährung/wenig Bewegung (die Liste kann beliebig erweitert werden) nicht krank werden. Ganz genau! Und deshalb ist es wichtig, sich nicht nur zu überlegen wie Krankheiten entstehen, sondern auch wie Gesundheit entsteht und vor allem erhalten bleibt.
Die Säulen unserer Gesundheit:
1. Genetik:
die können wir natürlich nicht ändern, aber wenn wir das genetische Risiko kennen, können wir frühzeitig Maßnahmen ergreifen und Sie schützen. Beispiele hierfür sind das Lipoprotein a, das das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen deutlich erhöht oder auch das Apo E 4 Gen, das das Risiko für Alzheimer Demenz steigert
2. Ernährung:
Unser Körper kann nur gut funktionieren und gut regenerieren, wenn er die richtigen Bausteine dafür bekommt. Eine ausgewogene Ernährung schafft den Grundstein, kann aber noch so viel mehr: Autophagie unterstützen, Körperzusammensetzung verändern, Immunsystem regulieren, Darmmikrobiom stärken…
3. Bewegung:
Bewegung ist das Medikament, das die meisten tatsächlichen Medikamente für Bluthochdruck oder Diabetes schlägt: mit der richtigen Bewegung halbiert sich die Gesamtmortalität innerhalb kürzester Zeit (abhängig vom Startpunkt), sie erhält unsere Muskulatur um auch im Alter fit zu bleiben
4. Emotionale Gesundheit / Mentale Stärke
Dieses Thema können wir gar nicht wichtig genug nehmen! Denn unsere emotionale Gesundheit bestimmt entscheidend unser Stresshormonlevel und den Cortisol Metabolismus. Dieser wiederum greift in genau alles ein, was wir verbessern wollen: Gedächtnisleistung, Empathiefähigkeit, Zucker- und Fettstoffwechsel, Schlaf, Muskelaufbau, Körperfettverteilung, Regeneration…
5. Schlaf
Im Tiefschlaf ändert sich der lymphatische Fluss im Gehirn (glyphatischer Flow), so dass Tau und Amyloid Proteine ausgewaschen werden. Damit ist gesunder Tiefschlaf die beste Demenzprophylaxe, die es gibt. Zudem hat unerholsamer Schlaf problematische Auswirkungen auf unseren Stoffwechsel – in Studien wurde nachgewiesen, dass der Blutzucker am Tag nach einer schlechten Nacht ca. 10-20 mg/dl höher ist als normal und man nimmt im Schnitt 300 kcal zuviel zu sich. Dies ist Resultat erhöhter Stresshormone durch schlechten Schlaf – also machen Sie Ihren Schlaf unbedingt zur Priorität.
Diese Säulen sehen nicht bei jedem gleich aus – wir alle bringen unterschiedliche Gesundheitsvoraussetzungen und Risikofaktoren mit. Auch unser Stoffwechsel kann sehr unterschiedlich funktionieren, z.B. beobachten wir häufig stark unterschiedlich Blutzuckeranstiege auf dieselbe Menge Zucker/Kohlenhydrat bei verschiedenen Menschen. Daher ist es gerade in der Prävention extrem wichtig, möglichst viele Informationen zu sammeln um dann einen individuellen Plan erstellen zu können. Bezüglich des Zuckerstoffwechsels ist zum Beispiel ein kontinuierliches Glukosemonitoring (Sensor der 24 h für 14 Tage das Blutzuckerverhalten genau aufzeichnet) sinnvoll. Mit diesen Informationen kann dann ein Ernährungsmediziner oder DiätologIn einen detaillierten Ernährungsplan erstellen, der wirklich zum gewünschten Ergebnis führt.
Um echte Prävention zu betreiben braucht es aber mehr als eine Vorsorgeuntersuchung pro Jahr - es braucht Ihre ganzjährige Motivation sich um Ihre Gesundheit zu kümmern und dafür täglich gute Entscheidungen zu treffen - sei es dass Sie sich mehr bewegen, die Treppen statt des Aufzugs benutzen, Atemübungen in stressigen Zeiten im Tag einplanen oder einfach häufiger die gesunde Essensalternative auswählen. Ihr Körper wird Sie mit Sicherheit dafür belohnen!
Wie also könnte so ein erweitertes Präventionsprogramm aussehen?
Also ich mache das bei mir und meinen PatientInnen so:
Ultraschall von Schilddrüse, hirnversorgenden Gefäßen und Bauch/Beckenorganen (Leber, Nieren, Bauchspeicheldrüse, Bauchgefäße, Harnblase, Milz), Ruhe EKG; hier wird auch festgelegt ob zusätzliche Untersuchungen notwendig werden
Ausführliche Laboruntersuchung mit genauer Analyse von Zucker- und Fettstoffwechsel sowie genetischen Risikofaktoren
Untersuchung von Stressstoffwechsel und aktuellem Hormonstatus mittels Speicheltests
Schlafanalyse mittels EEG
Sportmedizinischer Check Up nach Prof. Galpin (CSU Fullerton): Erfassung von Kraft (Kraftausdauer, Maximalkraft, Schnellkraft), Bewegungsumfang, Muskelansteuerung, Ausdauer (VO2 max)
kontinuierliches Glukosemonitoring für 2 Wochen
BIA und Erstellung eines individuellen Ernährungsplans anhand der erfassten Körperzusammensetzung und des gemessenen Blutzuckerverhaltens
Fakten Check Nahrungsergänzungsmittel bzw. Erstellung eines wissenschaftlich basierten Nahrungsergänzungsmittel Plans um die individuellen Ziele zu unterstützen
Mentalcoaching begleitend
Nach Auswertung aller Fakten, kann ein detaillierter Plan für die nächsten 3 Monate erstellt werden. Dann kontrollieren wir ob die gewünschten Ziele erreicht wurden und bessern gegebenenfalls nochmals nach.
Gesundheit und Healthy Aging ist ein Prozess, der nicht früh genug gestartet werden kann!
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